“Wenn der eigene Verein verliert, ist das so etwas wie ein Todesfall”

Hanno Wisiak arbeitet für den KPÖ Gemeinderatsklub in Graz. Einen großen Teil seiner Freizeit verbringt er im Fußballstadion. Im Interview erzählt er unter anderem davon, was es für einen Fan bedeutet, wenn der eigene Verein verliert.

Ist es aufgrund der sozialen Schicht vorgegeben, für welchen Verein man die Daumen drückt?

Bedingt. Früher war das sicher viel ausgeprägter. Grazer, die in der nobleren Gegend rund um den Hasnerplatz gewohnt haben, wo der GAK sein altes Stadion hatte, waren dort regional an den Verein gebunden. Während die Arbeiterklasse eigentlich eher in Jakomini und Gries gewohnt hat, und deshalb geografisch näher am SK Sturm oder am Grazer Sportklub war. Aber heutzutage ist das nicht mehr so. 

Im Stadion jubelt der Akademiker neben dem Arbeiter. Warum schafft Fußball es, soziale Barrieren zu überwinden?

Genau deshalb, weil der Sport im Mittelpunkt steht. Weil es um nichts anderes geht. In der Bar würde der Akademiker wahrscheinlich die Nase rümpfen, wenn er neben dem Arbeiter stehen würde. Aber am Sportplatz ist das nicht so, man sieht über Stände und Klassengrenzen hinweg. Fußball begeistert jeden gleichermaßen.

Welche Katastrophe ist es für einen Fan, wenn der eigene Verein verliert oder absteigt?

Das ist wie ein Todesfall in der Familie. Das ist entsetzlich. Da gibt es Tränen, Frustrationen. Es kann auch Ausschreitungen geben. Wenn man sich anschaut, vor einem Jahr bei diesem Platzsturm bei Rapid, wo die Fans nach der miserablen Leistung über Monate hinweg verzweifelt waren, und dann ist einer aufs Spielfeld gerannt und hat gesagt: „Das schau ich mir nicht länger an.“ Und auf ein Mal sind Hunderte Fans mitgerannt. Da hat sich eine Gruppendynamik entwickelt. Man empfindet ein verlorenes Match oder einen Abstieg als persönliche Kränkung, als Angriff. Denn man geht ja Woche für Woche hin, zahlt Eintritt, fährt auswärts, muss das Zugticket oder Benzin zahlen. Man steckt viel Geld und Herzblut rein. Das empfindet man dann schon als persönliche Kränkung, wenn so etwas passiert.

Ist das dann auch ein Grund dafür, dem Verein den Rücken zu kehren?

Nein. So gekränkt kann man als Fußballfan nicht sein. Ein Kabarettist hat einmal gesagt: „Männer sind vielleicht Frauen untreu, aber sicher nie ihrem Fußballverein.“ Da gibt es also kein Wechseln zwischen den Vereinen. Das wird es nie geben. Das ist absurd.

Hilft Fußball, Integration zu fördern?

Auf jeden Fall. Wenn man zu einem Verein in Graz geht und sich eine junge Mannschaft anschaut: Die sind von Hautfarben und Sprachen total vermischt. Und gerade die kleinen Vereine geben sich da Mühe. Im Fußball braucht man schließlich nicht mehr außer ein Paar Schuhe, da sind alle gleich. Und Sport verbindet.

 Wird der Besuch im Stadion immer mehr zum Luxus?

Ja, in Österreich ist es noch nicht so schlimm. Aber in England zum Beispiel ist die Unterschicht praktisch völlig ausgeschlossen vom Fußball. Außer es sind solche Fußball-Narren, die wirklich viel zusammensparen. In Österreich gehen die Preise schon in die Höhe, aber nicht so, dass es nicht mehr leistbar wäre.

Fußballpräsidenten haften oft mit ihrem eigenen Vermögen für den Verein. Warum?

Das ist, glaube ich, fast schon ein neurotisches Habenwollen von Anerkennung. Das drastischste Beispiel ist ja Mateschitz mit Red Bull Salzburg. Der will da ja nur sein Dosengetränk verkaufen. Dem ordnet er alles unter. Dann gibt es natürlich Leute, die mit ihrem Privatgeld haften, weil sie selbst so fußballbegeistert sind. Aber die verschulden sich meistens nicht so horrend. Das ist dann meistens ein Mittelding aus Anerkennungs- und Dankessucht und natürlich Marketinginteresse für eigene Produkte. 

Posted by Katja Winkler

Katja Winkler, *1991, studiert am Master-Studiengang Journalismus und Neue Medien an der FH Wien.

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